BIPAP


BIPAP (Biphasic Positive Airway Pressure, lizensiertes Warenzeichen der Firma Dräger) ist von der Idee her eine Beatmungsform, die sich nicht einfach in eine Schublade packen lässt. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, ein Modus zu schaffen, der den Patienten von der Intubation bis zur Extubation begleitet und einen großen Spielraum bietet. Das macht die gekonnte Anwendung nicht unbedingt leichter.

Im Ansatz kann man BIPAP vielleicht als Mischung einer druckkontrollierten Beatmung und CPAP auf zwei Druckniveaus bezeichnen. Es werden also maschinelle Ventilation und Spontanatmung vermischt (=augmentierende Beatmung).

Die Einstellungen




Zu den wichtigsten Einstellungen gehören

Unterstes Druckniveau (=PEEP, positive end-expiratory pressure, positiver endexpiratorischer Druck)

Druckniveau, dass während der Expiration aufrechterhalten wird (Pfeil 1).

Welcher PEEP am besten eingestellt werden sollte, darüber streiten sich die Fachleute. Es gab eine Studie, die keinen Vorteil in einem hohen PEEP gegenüber eines moderaten PEEP bei Patienten mit ARDS gesehen hat (siehe auch: ARDS Therapie). Nach Prof. Lachmann gibt es einen PEEP, bei dem wiedereröffnete Lungenbereiche (Atelektase) gerade noch offen bleiben, beim unterschreiten dieses PEEP kollabieren sie wieder. Jedoch ist das Manöver wegen möglicher Komplikationen nicht ganz unumstritten. Diesen PEEP herauszufinden nicht ganz einfach.

Oberstes Druckniveau (z.B. PInsp, Inspirationsdruck)

Bis zum Erreichen des oberen Drucks wird Atemgas in den Patienten "gedrückt" (Pfeil 2). Die Druckdifferenz zwischen dem untersten Druckniveau und dem obersten Druckniveau definiert das Volumen, dass letztlich pro Atemzug (Atemhubvolumen, Tidalvolumen) verabreicht wird. Wieviel dass pro Patient sein soll, ist individuell festzulegen. Als Faustregel kann man sich merken: 10ml pro Kilogramm Körpergewicht. Bei besonders korpulenten Patienten ist diese Faustregel nicht anzuwenden (250kg heißt dann nicht 2500ml!). Unter lungenprotektiver (lungenschützender) Beatmung versteht man ein Volumen von 6ml pro kg Körpergewicht. Bei ARDS-Patienten hat eine Studie gezeigt, dass mehr Patienten überleben, wenn man "lungenprotektiv" beatmet (siehe auch: ARDS Therapie).

Einen weiteren Hinweis darauf, ob dass Volumen reicht, gibt uns die BGA. Sollte dass CO2 unter der Beatmung ansteigen, ist dass Volumen zu wenig. Entweder erhöht man dann das obere Druckniveau (PInsp) oder erhöht die Atemfrequenz oder überprüft, ob die Expirationsphase auch lang genug ist, dass die verbrauchte Luft ausgeatmet werden kann. Insgesamt ist die Druckbeatmung unphysiologisch, darüber sollte sich jeder Anwender klar sein. Man weiß inzwischen, dass man mit hohen Druckunterschieden zwischen oberen Druckniveau und unterem Druckniveau (bzw. mit hohen Atemvolumen) die Alveolen und die elastischen Fasern schädigt (Scherkräfte) und es durch die Beatmung zu einer Lungenschädigung (VILI, Ventilator Induced Lung Injury) kommen kann (siehe auch: ARDS-Therapie).

Merke: Diese Einstellung ist mit Bedacht zu wählen!

Frequenz

Mit der Atemfrequenz pro Minute stellt man ein, wie oft der Patient pro Minute einen Atemzug erhalten soll. Normale Atemfrequenzen sind etwa zwischen 8-15/Minute, bei Fieber und Anstregung auch mehr. Auf welchen Wert man die Frequenz einstellt, hängt von der BGA ab. Richtungsweisend ist der pCO2. Bei einem kontrolliert beatmeten Patienten beeinflußt man den pCO2 durch das Minutenvolumen (Atemfrequenz x Atemhubvolumen = Minutenvolumen). Dies sollte ausreichend sein, um den pCO2 in seinen Normgrenzen zu halten. Wenn man sich etwas dabei denkt, kann man natürlich auch pCO2-Werte außerhalb der Normwerte tolerieren, z.B. erhöhtes pCO2 im Rahmen einer permissiven Hyperkapnie (eine geduldete Erhöhung der pCO2).

Mit einer Grundeinstellung von 10 Atemzügen pro Minute macht man wahrscheinlich nicht gleich alles falsch.

Merke: Minutenvolumen und CO2 im Auge behalten!

Inspirationszeit (TInsp)

Die Inspirationszeit (Pfeil 4) gibt an, wie lange die Inspiration aufrecht gehalten werden soll. Zusammen mit der Atemfrequenz wird das Verhältnis von Einatmung zu Ausatmung definiert (I:E, Inspiration zu Expiration[Pfeil 3]).

Beispiel: Gibt man eine Frequenz von 10 pro Minute vor und stellt die Inspirationszeit auf 3 Sekunden ein, so sind schon 30 Sekunden von einer Minute nur für die Inspiration vorgesehen. Es bleiben also nur noch 30 Sekunden für die Expiration. Also haben wir ein I:E von 1:1 (Inspiration dauert genauso lange wie die Expiration).

Beispiel: Gibt man eine Frequenz von 10 pro Minute vor und stellt die Inspirationszeit auf 2 Sekunden ein, so sind 20 Sekunden für die Inspirationsphase vorgesehen, es bleiben 40 Sekunden für die Expiration. Das Verhältnis I:E ist 1:2 (Expiration dauert doppelt so lange wie die Inspiration, physiologisch).

Der Trick bei der Sache ist, dass man die Expirationsphase lang genug läßt, dass auch das CO2-reiche Gas aus der Lunge entweichen kann. Sonst steigt unter Umständen das pCO2 in der BGA an. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, kann die Flow-Kurve schon erste Hinweise liefern.



Wenn beim Flow die Expiration nicht ganz vollständig angezeigt wird, dann sollte man mit einer BGA prüfen, ob dass auch alles seine Richtigkeit hat.

Es gibt auch die Idee, dass ein umgekehrtes I:E von 2:1 oder 3:1 einen Vorteil bringen kann. Diese Variante nennt man dann inverse-ratio ventilation (IRV, umgekehrtes Verhältnis). Die Vorstellung ist die, dass man bei einer Hypoxie (niedriges pO2 und/oder niedrige periphere Sättigung) dem O2 mehr Zeit läßt ins Blut zu diffundieren. Speziell beim Lungenödem kann diese Beatmungsvariante einen Nutzen haben. In dieser Situation ist die Diffusionsstrecke (zwischen Alveole und Blut) durch das Wasser verlängert. O2 diffundiert etwa 23x schlechter als CO2. Daraus resultiert, dass man weniger mit dem CO2 Probleme bekommt als mit dem O2. Also gibt man dem O2 mehr Zeit zu diffundieren.

Ein weiterer Effekt dieser Einstellung ist es, dass das Hubvolumen sich besser verteilen kann. Man kennt "langsame Kompartimente" der Lunge, also Abschnitte, die sich erst zuletzt mit Gas füllen. Wenn man dem Gas mehr Zeit zum verteilen gibt, kann es sich wahrscheinlich auch gleichmäßiger verteilen.

Anstiegssteilheit (Rampe)

Die "Rampe" gibt an, wie schnell das Frischgas für die Inspiration zur Verfügung gestellt werden soll. Ein langsames Anfluten kann u.U. die Drücke in der Lunge reduzieren, da das obere Druckniveau erst verzögert erreicht wird. Eine niedrige Anstiegssteilheit sorgt dafür, dass schnell Frischgas zur Verfügung steht. Das ist besonders wichtig, wenn der Patient selbst die Inspirationsphase auslöst (triggert). Wenn rasch Frischgas strömt, kommt weniger Lufthunger auf. Nichts ist unbequemer, als wenn man saugt und nix kommt. Logischerweise kann die Rampe nicht länger als die Inspirationszeit eingestellt werden. Das macht Sinn, damit auch wirklich das obere Druckniveau während der Inspirations erreicht wird (EVITA XL).

ASB

Zusätzlich kann man eine Druckunterstützung (ASB) einstellen. Sie unterstützt den spontan atmenden Patienten bei seiner Inspirationsbemühung mit dem eingestellten Druck. Ob und wie hoch man diesen Druck einstellen sollte, ist weitestgehend Glaubenssache. Im BIPAP-Modus macht der Einsatz vom ASB im Grunde nur Sinn, wenn das obere und das untere Druckniveau nahezu identisch sind (also CPAP, siehe dort). Um den Druckabfall, der durch den Tubus bedingt ist, auszugleichen, scheint ein ASB von etwa +7 auszureichen. Alternativ bietet sich der Einsatz der automatischen Tubuskompensation an (siehe auch: ATC).

Praxis


BIPAP ist, wie Eingangs schon erwähnt, eine Beatmungsform, die den Patienten während seiner gesamten maschinellen Atmungs- und Beatmungszeit begleiten soll - von der Intubation bis zur Extubation. Durch die Einstellung einer entsprechenden Druckdifferenz zwischen unterem Druckniveau und oberen Druckniveau bekommt der nicht selbst atmende Patient sein Volumen. Hier aufgepaßt: Durck plötzliche Änderungen in den Atemwegen und durch spontane Zuatmung kann sich das Atemhubvolumen stark schwanken! Deshalb: Alarmgrenzen entsprechend einstellen!



Im Verlauf kann der Patient, wenn er schon etwas wacher wird, auf beiden Druckniveaus dazuatmen. Das trainiert und ist, dadurch dass das Zwerchfell ein wenig arbeitet, auch wichtig für die Funktionstüchtigkeit des wichtigsten Atemmuskels. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein "unbenutztes" Zwerchfell Gene aktiviert, die für den "Rückbau" des Muskels verantwortlich sind. Sprich: Je weniger das Zwerchfell tut, desto stärker wird es abgebaut. Auf die Effektivität der Atemzüge kommt es nicht vorrangig an!

Wenn der Patient fitter wird und mehr zuatmen kann, dann man das obere Druckniveau absenken, bis oberes Druckniveau dem unteren entspricht. Dann haben wir eine CPAP-Situation. Als nächster Schritt sollte dann der Patient extubiert werden können.

Um den Komfort noch mehr zu steigern, kann der Patient auch das Auslösen der maschinellen Atemzüge, oder besser den Wechsel von unteren zum oberen Druckniveau und umgekehrt, selbst in engen Grenzen veranlassen (triggern). Dazu gibt es sogenannte "Trigger-Fenster" die vorprogrammiert sind und sich aus den gewählten Einstellungen ergeben (EVITA XL).

Für die Einatmung ist das Trigger-Fenster 5 Sekunden lang (1,5 Sekunden im Pädiatrie-Modus). Während dieser Zeit kann der Patient eine Inspiration (Wechsel von niedrigem Druckniveau zum hohen Druckniveau) auslösen. Damit es nicht zu einer super schnellen Atmung kommt, geht dieses Fenster aber nur so oft auf, wie auch Frequenzen eingestellt sind (nennt man "synchonisiert"). In der Zwischenzeit bleibt ja noch das Atmen auf dem hohen bzw. niedrigen Druckniveau (evtl. mit ASB-Unterstützung). Das heißt auch, dass trotzdem die tatsächliche Frequenz höher sein kann als die eingestellt.

Für die Ausatmung ist das Fenster TInsp/4 (oder 1/4 x TInsp) Sekunden lang auf. In dieser Zeit besteht die Möglichkeit für den Patienten, die Expiration einzuleiten (EVITA XL). In der anderen Zeit besteht auch hier die Möglichkeit, auf dem hohen Druckniveau spontan zu atmen.

Varianten


BIPAPAssist (Biphasic Positive Airway Pressure Assisted)

Hierbei handelt es sich um eine Variation des BIPAP (EVITA XL). Es ist so, dass jede erkannte Einatembemühung auf dem unteren Druckniveau mit einem Inspirationshub belohnt wird. Nur das Umschalten von Inspirationsdruck auf PEEP-Niveau läßt sich nicht durch den Patienten auslösen sondern geschieht nach Ablauf der Inspirationszeit.

Als Sicherheit, falls keine Inspirationsbemühung kommen sollte, wird nach einer durch die eingestellte Frequenz und Inspirationszeit definierten Zeit ein Inspirationshub ausgelöst, so dass man auf der sicheren Seite ist.



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