Critical Illness Polyneuropathy


Synonyme: Komapolyneuropathie, Intensiv-Polyneuropathie (IP), Critical Illness Polyneuropathy (CIP), Sepsis-Polyneuropathie, septisch-toxisch Polyneuropathie

Seit Jahrzenhnten ist bekannt, dass schwerstkranke Patienten, die besonders auf Intensivstationen gefunden werden, eine muskuläre Schwäche und Atrophie entwickeln können. 1983 wurde dieses Auftreten bei Intensivpatienten expliziter beschrieben. Eine frühere Auffassung, dass diese Atrophie in einer Inaktivierung begründet liegt, scheint nicht zutreffend zu sein. Vielmehr ist es eine neu dazuerworbene Erkrankung, die in Zusammenhang mit Mediatoren (Botenstoffe) gebracht wird, die auch für die systemische Manifestation des septischen Syndroms (systemic inflammatory response syndrome, SIRS) verantwortlich sind.

Per Definition ist die Intensivpolyneuropathie (IP) eine reversible, akute, axonale Polyneuropathie, also eine rasch einsetzende, wieder abheilende Nervenerkrankung, welche die fortführenden Nervenzellfortsätze betrifft. Diese Erkrankung tritt neu im Zusammenhang mit einer schweren, intensivmedizinisch behandlungspflichtigen Erkrankung auf. Begünstigt wird das Auftreten durch Erkrankungen wie Sepsis, Multiorganversagen und Langzeitbeatmung. Die Häufigkeit, mit der die CIP auftritt, wird bei Patienten mit Sepsis und Multiorganversagen mit 70% angegeben, in der Hälfte mit Syptomen, bei den restlichen Patienten nur diagnostisch nachweisbar.

Im Verlauf ist diese Erkrankung monophasisch und limitiert sich selbst, jedoch in schweren Verläufen möglicherweise nur unvollständig. Anatomisch findet sich eine sogenannte Denervierungsatrophie bei einer Degeneration der fortleitenden Nervenzellfortsätze (Axone).

Klinisch nachweisbar ist diese Art der Erkrankung schwer. Häufig werden die Patienten auffällig, weil sie sich nur verzögert vom Respirator entwöhnen lassen. Bei der körperlichen Untersuchung finden sich Atrophien der Muskulatur, die sich eingenartig teigig-weich anfühlen und schlaffe Paresen. Charakteristisch ist es, wenn man auf Schmerzreize an den Füssen eine Schmerzantwort in Form von Grimassieren bekommt, ohne dass die Beine zurückgezogen werden.

Die Bedeutung der CIP ist unmittelbar mit den Folgen verbunden: Eine verlängerte Beatmungsdauer geht häufig mit Komplikationen einher, von denen klassischerweise respiratorassoziierte Pneumonie, Venenthrombose, Lungenembolie und verzögerte Mobilisation mit den entsprechenden Folgen genannt werden sollte. Wie groß der Einfluß auf die Mortalität ist, lässt sich nur unpräzise herausheben, da die Grunderkrankungen wie Sepsis und Multiorganversagen an sich schon mit einer hohen Sterblichkeit verbunden sind.

Die Diagnose gestaltet sich schwer, besonders wenn keine neurologische Abteilung mit den entsprechenden Background hinzugezogen werden kann. Die elektrophysiologische Untersuchung ist die Methode der Diagnostik. Typische elektrophysiologsche Befunde sind bei der CIP fast normale oder normale Nervenleitgeschwindigkeiten, distal-motorische Latenzen mit amplitudengeminderten und verbreiterten Summenaktionspotentialen. Überwiegend betroffen sind die motorischen Nervenfasern.

Zum Ausschluß kommen sollten eine ganze Latte von Differentialdiagnosen wie Myasthenie, Guillain-Barré-Syndrom, Botulismus, die alle eine spezielle Therapie bedürfen und deshalb nicht übersehen werden dürfen. Unter Umständen können in der Anamnese schon Hinweise auftauchen, die auf eine bestehende Erkrankung hindeuten, als dessen Folge eine Respiratortherapie zu sehen ist.

Eine spezielle Therapie ist nicht bekannt. Jedoch ist die Diagnose von entscheidender Bedeutung für das weitere Behandlungskonzept. Weaningversuche bei bestehender CIP sind vom Ansatz her häufig frustran. Ebenso Mobilisationsversuche, da sie vom Patienten nicht geleistet werden können. Zusätzliche Lagerungsschäden sollten vermiden werden, wie auch die Applikation von Glukosteroiden, da sie eine katabole Eigenschaft besitzen.


Weiterführende Literatur:
Hund E.: Intensivpolyneuropathie; Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Scherzther. Springer 1999;34
Bolton CF, Young GB: Critical Illness Polyneuropathy Due To Parenteral Nutrition; Intensive Care Med. 1997; 23:924-925
Bolton CF: Sepsis and the systemic inflammatory response syndrome: neuromuscular manifestations. Crit. Care Med. 1996; 24:1408-1416
Gorson KC, Ropper AH: Acute respiratory failure neuropathy: a variant of critical illness polyneuropathy. Crit. Care Med. 1993;21-267-271


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